Friesen und Friesland
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Eala freya fresena! – Willkommen ihr freien Friesen
Dieser Willkommensgruß verrät bereits die Herkunft und den Aktionskreis des Friesenrings,dessen Name nicht nur für die Herkunft, sondern auch für den thematischen Schwerpunkt des Friesenringes selbst steht. Kühe, Marsch, Deiche, Leuchttürme und die Nordseeküste: Die Dinge, die einem in den Sinn kommen, wenn man an Friesland denkt. Doch was verbirgt sich wirklich hinter den Friesen? Welche Region umfasst das eigentliche Friesland – auch Tota Frisa bzw. Gesamt-Friesland genannt?
Als der Grieche Pytheas von Massilia um 325 v. Chr. auf der Suche nach Bernstein in den hohen Norden kam berichtete er, dass auf Helgoland (damals ein bedeutender Handelsposten) und den Nordseeinseln ein Volksstamm lebte, der als Friesen in die Geschichte eingehen sollte.
Damals noch spärlich besiedelt fand die Küstenregion durch eine fortschreitende Verlandung und einer damit verbundenen Entstehung an fruchtbaren Ackerbaugebieten und saftigen Weidegründen reges Interesse. Vor allem da sich die Küstenregion trotz der gefährlichen Sturmfluten als Ausgangsplatz für Handelsunternehmungen anbot. Bedingt durch das gestiegene Interesse an der Region und der damit verbundenen Einwanderungen kam es zu einer Vermischung mit der einheimischen Bevölkerung. Diese Vermischung gipfelte mit der Völkerwanderung in einer Einwanderungswelle von Skandinaviern, die nachhaltig das Volk am Meer prägte und die Ursprünge für die Friesen legte. Allerdings erfuhr die Region auch über die Völkerwanderung hinaus einen stetigen Zustrom. Nicht zuletzt durch Angeln und Sachsen, die auf dem Weg nach Britannien dort rasteten und sich zum Teil niederließen.
Herzog der Friesen
Der erste schriftlich belegte friesische Herzog war Aldegill, welcher die ersten Deiche zur Sicherheit der großen Warfen anlegen ließ. Dies geschah ca.
642 n. Chr. Aldegill erlaubte Wilfried, dem Erzbischof von York, welcher bei Ihm Zuflucht fand, den Friesen die neue Lehre von Jesus Christus zu predigen, was er auch tat und vermutlich tausende Friesen getauft und damit den ersten Missionierungsversuch in Gang gebracht hatte. Als dann um etwa 680 Herzog Radbod, welcher auch Redbad genannt wurde, seine Herrschaft als neuer Friesenführer begann, fand diese Bekehrung abrupt ein Ende. Radbod einigte die Friesen wieder und sammelte eine große schlagkräftige friesische Truppe um sich, mit der er die fränkische Truppen aus seinem Gebiet vertrieb und alle übrigen, die nicht freiwillig aus seinem Land verschwanden, mit Schwert und Schild bekämpfte.
Unter seiner Führung vergrößerte sich das Reich der Friesen und zog sich über einen großen Küstenstreifen an der Nordsee von dem Fluss Sinkfall bei Brügge bis hin zur Weser. Da diese dem Meer sehr nahe gelegenen friesischen Gebiete sowohl gut für Handelsbeziehungen, als auch zur Absicherung gegen nördliche Angriffe waren, marschierte der fränkische König Pippin II. mit einem großen Heer nach Friesland ein. In dieser zwischen Lek und Rhein stattgefundenen
sowohl für die Friesen, als auch für die Franken verlustreichsten Schlacht, erkämpften sich die Franken Dorestad, welche als die wichtigste Handelsmetropole des gesamten Nordsee-Anreinergebietes galt. Radbod zog sich auf die Insel Foset zurück, bei der es sich, der Vermutung einiger Historiker nach, wohl um das heutige Helgoland handelt, welches zu der Zeit ein friesisches Heiligtum war (mehr dazu erfahren Sie, wenn Sie uns mit auf Ihre Helgolandtour nehmen, siehe Helgolandbesichtigung). Hier wartete Herzog Radbod nun auf seine Stunde. Diese Stunde war kurz nach Pippins II. Tod zu Beginn des Jahres 714 gekommen, wo er sämtliche wehrfähigen Männer zu einem erneut starkem friesischen Heer zusammentrommelte und damit nach Westen vorstieß so dass eine fränkische Garnison nach der anderen viel. Er gewann die meisten Handelsplätze zurück, unter ihnen vor allem auch Dorestad, stieß immer weiter vor und stoppte erst zum Ende des Jahres 714 kurz vor Köln. Denn hier wartete ein aus vielen Ländern zusammengetragenes fränkisches Heer, welches nun von den Friesen, die nicht für Geld, sondern für den Erhalt Ihres Reiches kämpften, vernichtend geschlagen wurde. Somit hatte Herzog Radbod Friesland erneut mit seinem Restreich vereint und begann abermals mit der Vertreibung der Missionare. Nun erstrahlte das alte Friesland in einem neuen Glanz.
719 starb Herzog Radbot. 15 Jahre später marschierte erneut ein großes fränkisches Heer in das westliche Friesland ein und siegte, so dass es aus dem friesischen Reich wegfiel und Ostfriesland überblieb. 768 trat Karl der Große seine Herrschaft an, welcher 783 erst die Sachsen und dann den friesischen Herzog Surbold besiegte. Nach Surbold soll ein weiterer Radbod II. in dem komplett durch Franken besetzten Friesland ebenfalls auf die Insel Foset vertrieben worden sein, womit das Zeitalter der friesischen Herzöge zu Ende ging. Karl der Große, der neue Herrscher über Friesland, ließ die friesischen Volksrechte im Jahre 802 – 803 in der „Lex Frisionium“ niederschreiben.
Damit begann die Blütezeit der Friesen, welche spätestens durch Karl dem Großen und seinem Sohn Ludwig den Frommen 814 n. Chr. durch die Verleihung der friesischen Freiheit als Volk der Friesen in die Geschichte einging. Diese friesische Freiheit integrierte die Bewohner von Tota Frisia fest in das Reich, räumte ihr gleichzeitig aber die Freiheit zur Selbstbestimmung ein. Somit waren die Friesen durch kaiserliche Legitimation aus dem herrschenden Feudalsystem ausgeklammert und nur dem Kaiser selbst Rechenschaft schuldig.
Da diese friesische Freiheit die Grundzüge einer demokratischen Selbstverwaltung innerhalb einer genossenschaftlichen Struktur aus Familienverbänden, Dorfgemeinschaften und Landsgemeinden legte, ist es nicht weiter verwunderlich, wenn der Stolz darauf sich in dem eingangs erwähnten Ausspruch „Eala freya fresena“ manifestierte.
Stellte die oft idealisierte friesische Freiheit doch ein Novum da, welches in der damaligen Zeit einzigartig im fränkischen Reich, ja sogar fast in der gesamten Epoche des Mittelalters war, sah die Realität nicht immer derart glorreich aus. So waren auch die Friesen im stolzen Friesland nicht frei von politischer Machtgier und Vetternwirtschaft, was die praktische Umsetzung des demokratischen Gedankens nicht selten erschwerte. Doch das soll ein anderes Kapitel sein.
Nichtsdestotrotz bot sie den Friesen Anlass ein starkes regionales Selbstbewusstsein zu entwickeln. Dieses Bewusstsein war allerdings nur mittelbar mit der Freisprechung des fränkischen Kaisers verbunden, hatte es seine Wurzeln doch in der Mentalität der Friesen selbst.
Weit vor dem Einfluss der nordischen Einwanderer stellten die Friesen bereits einen Großteil der Seefahrer und Händler in dieser Region, was Berichte wie der von Pytheas von Massilia belegen. Nicht selten verfolgten sie dabei ihre Absichten mit Waffengewalt und festigten damit das Bild der seefahrenden Händler
und Piraten. Diese Vorgehensweisen legten sicherlich den Grundstein für die im Mittelalter folgende Hanse, welche sich in ihrer Struktur und sogar bei der Entwicklung der Hansekoggen an dem älteren friesischen Bruder orientierte bis sie diesen mit der Zeit aus der Erinnerung verdrängte.
Doch auch auf dem Lande standen die Friesen
ihren Mann. Als raues Küstenvolk, welches ihr
Hab und Gut immer vor der See oder
zänkischen Nachbarn verteidigen musste,
gingen sie einer Konfrontation nicht aus dem
Weg. Dabei ging die bloße Muskelkraft mit
einem Sinn für List und Ausnutzung der
örtlichen Begebenheiten mit viel technischem
Geschick einher, so dass die Friesen auf den
Schlachtfeldern Europas bekannt wurden.
Und diese Schlachtfelder hatten oft mit den
Kreuzzügen zu tun, welche durch die strenggläubigen Friesen rege Unterstützung fanden.
Diese historischen Fakten sind Ausdruck der friesischen Mentalität und begründen das stetig wachsenden Nationalbewusstsein, welches im 13. Jh., in Gestalt der sieben Seelande, ihren Höhepunkt fand. Unter dem Banner der sieben Seerosen und den sieben blauen und weißen Streifen (welches heute noch die Flagge von Fryslan in den Niederlanden ist) fand der Zusammenschluss der einzelnen freien friesischen Gemeinden ihre Identität und versammelte die Friesen am Upstallsboom, dem Ort der dem friesischen Bund seinen Namen gab und noch heute als Wahrzeichen der frieisischen Kultur gilt. Aus diesem Bund schöpften die Friesen bis zum Ende des Mittelalters die Kraft ihre Freiheit zu bewahren. Und Kraft bedurfte es Tota Frisa gegen Feinde und Neider zu verteidigen, die ihre Hände nach dem freien und reichen Land an der Küste ausstreckten. Doch welche Bereiche umfasste das historische Friesland, die sieben Seelande, zur Zeit des Mittelalters? Die Zahl Sieben hat einen symbolischen Charakter und bezieht sich weniger auf die einzelnen Verwaltungsbezirke (deren es je nach politischer Verwicklung an die drei Dutzend gab), sondern eher auf die Landstriche, welche das Gebiet der Tota Frisa umfasste.
Die gebräuchlichste Zuordnung der sieben Seelande schließt von West nach Ost gehend folgende Landstriche ein:
- Westfriesland (in der jetzigen Provinz Nordholland, Niederlanden)
- Westergo (westliche Teil der heutigen Provinz Friesland, Niederlanden)
- Ostergo (östliche Teil der heutigen Provinz Friesland, Niederlanden)
- Zevenwouden (südliche Teil der heutigen Provinz Friesland, Niederlanden)
- die friesischen Gebiete zwischen Lauwers und der Ems in der heutigen Provinz
Groningen (auch "Klein-Friesland" und "Ommelande" genannt) - das Gebiet zwischen Ems und Jade (heute Ostfriesland, Saterland,
Oldenburger Friesland und Wilhelmshaven, in Niedersachsen, Deutschland) - das Gebiet zwischen Jade und Weser (Rüstringen), heute Butjadingen sowie das
Land Wursten, in Niedersachsen, Deutschland
Da diese Gebiete nicht nur Heimat, sondern Wirkungskreis des Friesenrings darstellen erklärt es sich vielleicht, dass der Friesenring seine Mitstreiter unter dem Banner der sieben Seelande versammelt, wenn es um die Darstellung mittelalterlicher Handwerke und Gebräuche geht. Doch keine Bange: Der Friesenring möchte mitnichten die historischen Grenzen von Gesamt Friesland wiederherstellen. Es geht dem Friesenring vielmehr darum, die regionale Bevölkerung an die Ursprünge zu erinnern und mit der Belebung der historischen Handwerke und der Pflege mittelalterlicher und friesischer Bräuche der Küstenregion einen stärkeren Identitätsbezug zu geben. Auch wenn sich ein Großteil der Bevölkerung nicht aus gebürtigen Friesen zusammensetzt, so gibt es doch eine Gemeinsamkeit:Man ist typisch norddeutsch!
Und gerade diese Charaktereigenschaft findet in dem Volk der Friesen ihre schillerndste Auslebung. Aus diesem Grunde ist der Friesenring nicht nur in den Kernregionen des alten Gesamt-Frieslands aktiv, sondern auch in den angrenzenden Gebieten von Niedersachsen, Bremen und Schleswig-Holstein, wo es nicht zuletzt auch starke Vermischungen mit den weitreisenden Friesen gab, welche auch dort ihre Spuren hinterlassen haben und hoffentlich – unterstützt vom Friesenring – auch weiter hinterlassen werden.
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